Einem Mann wie Jörg Wagner, der seine Dienste gewöhnlich geräuscharm im Bauch des Buchmessetankers versieht, ist es wohl nicht an der Wiege gesungen worden, dass er einmal die Buchmesse grundlegend mitgestalten würde. Wir lernen uns in jenem denkwürdigen Jahr 2021 kennen, als er mit dem Team seiner Firma SHOW concept die Verleihung des Preises der Leipziger Buchmesse notgedrungen auf die Bühne der Kongresshalle am Zoo und ins Netz stellte. Keine triviale Aufgabe, galt es doch, im je rechten Moment 17 Nominierte aus allen möglichen Welt-Gegenden per Video zuzuschalten – vom Neu-Metelner Bauernhaus der Helga Schubert bis zum Schweizer Residuum Christian Krachts. Kein Wunder also, dass es im – kein Witz! – ehrwürdigen Wagner-Saal der Kongresshalle so aussah wie in einer Server-Farm im Silicon Valley.
Damals galten, wir erinnern uns, die Ausnahmegesetze einer Pandemie – und Wagner, der seit vielen Jahren als Regisseur und Produzent der Preisverleihung fungierte, war mit seinen Profis früh in die Vorplanung involviert. „Wir waren dankbar, dass die Buchmesse beschlossen hatte, die Preisverleihung in einer neu gedachten Bühnen-Situation hybrid umzusetzen.“ Gelaufen ist es damals ein wenig nach dem Vorbild von „Hart aber fair“ – die Zuschaltung sämtlicher Nominierter über Displays erforderte ein starkes Internet und „redundante Stromversorgung“. Was, so klärt Wagner auf, hier nichts Anderes bedeutete als „doppelt abgesichert“, also: Feststrom plus Notstromaggregat. „Wir hatten für jede Schaltung einen separaten Rechner, ein Medienserver verwaltete die Einzeladressen zentral. Und es hat – toi, toi, toi! – alles funktioniert.“ Gemessen am Einsatz zu einer ‚normalen’ Buchmesse war es sicher nicht das umfangreichste Projekt von SHOW concept. „Für uns war es jedoch so etwas wie ein Ritterschlag, weil wir praktisch auf Mausklick alles abrufen mussten, was die Duplizität von ‚Präsenz’ und ‚Digital’ erfordert.“

Als Jörg Wagner 1966 in Lößnitz, am Fuß des Erzgebirges, geboren wurde, waren solche Events in etwa so weit entfernt wie die Mondlandung. Wagner wollte Lehrer für Polytechnik werden, eine Fächer-Kombination, die es so nur in der DDR gab. Jörg Wagner hätte also 1989 noch ein Studium an der damaligen TU Chemnitz draufsatteln müssen – da sein erster Sohn unterwegs war, entschied sich der werdende Vater für einen doppelten Sprung ohne Netz in den Kapitalismus und heuerte als Vertriebler bei einem Tabak-Konzern an. Nachdem er dabei auch Berührung mit Großveranstaltungen gemacht hatte, tat er sich mit seinem alten Schul-Kumpel Thomas Jähne zusammen – und gründete SHOW concept, die heute von beiden gemeinsam geführt wird; 1994 noch als Full-Service-Agentur in Chemnitz. Wenig später konzentrierte man sich auf die technische Umsetzung von Veranstaltungen, schaute sich auch jenseits des lokalen Tellerrands um – und wuchs durch Partnerschaften, etwa mit der PSR Mediengruppe. Im Jahr des WM-Sommermärchens 2006 gab es erste Zusammenarbeiten mit der Leipziger Messe, inzwischen darf sich die Firma mit 16 Mitarbeitern ganz offiziell als „Servicepartner“ von FAIRNET und Leipziger Messe. Seit 2015 hat SHOW concept, neben neu hochgezogenen Büros und einer Lagerhalle nahe der Leipziger Messe, eine feste Homebase direkt auf dem Messegelände.

Die Branche, in der Jörg Wagner mit seinem Team unterwegs ist, nimmt man natürlich wahr. „Aber viele denken: Die bauen ein paar Zelte auf und machen buntes Licht!“ Weit gefehlt – es gibt inzwischen jede Menge Standards, die zu beachten sind. Lange waren die Türen auch für Seiteneinsteiger wie Wagner und Jähne offen, seit 2002 gibt es strenge fachliche Qualifikationsvorschriften. „Von Woodstock bis dahin war High-Life“, lacht Wagner. „Inzwischen ist das Zertifikat der Standard.“ Jörg Wagner hat sich berufsbegleitend ständig weiterqualifiziert: Er ist Meister für Veranstaltungstechnik, hat sogar den Fachmeister für Veranstaltungssicherheit gemacht – und bildet in der Firma auch aus. Derzeit gehören vier Azubis zur Belegschaft. Neben dem Auf- und Abbau von Traversen, Licht, Ton und Video ist SHOW concept auch in die Planungstätigkeit der Messe und die Entwicklung von Sicherheitskonzepten involviert. Im Auftrag der FAIRNET können auch ganze Foren nebst Veranstaltungstechnik für Aussteller schlüsselfertig bereitgestellt werden; als Paradebeispiel hierfür gilt etwa die LVZ-Arena.

Lampenfieber kennt Jörg Wagner eher nicht; in der Veranstaltungs-Branche sprechen sie lieber von der „Ein-Fehler-Sicherheit“. Das heißt? „Sollte ein Fehler passieren – muss die Redundanz greifen.“ So hatte man in Pandemie-Zeiten mit mehr Personal geplant, um bei möglichen Corona-Fällen auf der sicheren Seite zu sein. Durch die Pandemie-Jahre, in denen die Branche insgesamt ziemlich gebeutelt wurde, ist SHOW concept vergleichsweise gut gekommen. Antizyklisch haben die Sachsen in Personal und Weiterbildung der Mitarbeiter investiert. Im letzten Jahr wurde sogar ein Fachinformatiker eingestellt. „Der Videotechniker aus den 1990er Jahren“, weiß Wagner, „muss heute Netzwerk können.“ Monitore, LED-Wände, dutzende Zuspielvarianten – IT spielt heute eine zentrale Rolle im Berufsalltag „Die Kunst der kommenden Jahre wird darin liegen, die Präsenz-Veranstaltungen, die wir alle lieben und für die wir brennen, zu perfektionieren. Und gleichzeitig im Digitalen weiterzukommen.“ Vor der Buchmesse Ende April, dem Neustart nach der Corona-Zwangspause, haben Wagner und seine Kollegen und Kolleginnen Respekt. Aber die Vorfreude ist allen bei SHOW concept, von den Chefs bis zum Lehrling, deutlich anzumerken. Sepp Herbergers goldenen Worte gelten natürlich auch hier: „Nach dem Spiel ist vor dem Spiel.“



