Zeltplatz Mitte 

Für seine ausgefallenen Locations ist „Leipzig liest“ berühmt. Hier stellen wir in loser Folge einige der spannendsten vor. Heute: Rando Steinbach und der Outdoor-Spezialist tapir im Herzen der City.

An zwei seiner „Leipzig liest“-Favoriten kann sich tapir-Co-Geschäftsführer Rando Steinbach sofort erinnern. 2016 sorgten die Hoepner-Zwillinge für den größten Publikumsansturm, den der Laden am Georgiring bislang erlebt hatte: „Die 160 Sitzplätze waren schon kurz vor 20 Uhr belegt, inklusive aller Büro- und Holzklappstühle plus Elefantenfüßen.“ Am Ende werden es wohl um die 300 Weltenbummler gewesen sein, die den Geschichten der Hoepners über 90 Minuten begeistert lauschten; genaues Zählen war längst nicht mehr möglich. „Unsere Klientel setzt sich auch mal auf den Boden“, lacht Steinbach. „Da kommt niemand im Abendkleid!“ 

Ausverkauftes Haus mit den Hoepner-Zwillingen (c)tapir

Ein ähnlicher Kracher gelang im März 2010, im ersten Jahr nach dem Umzug auf die neue Fläche im Stadtzentrum. Da präsentierte der Notschriften-Verlag (Radebeul) seinen längst zum Klassiker gewordenen Band Transit. Illegal durch die Weiten der Sowjetunion. Das Buch ist von jenen Abenteurern verfasst, die zu DDR-Zeiten ein eigentlich auf drei Tage begrenztes Transitvisum durch die UdSSR beantragten – um dann zu mehrwöchigen, natürlich illegalen, Touren durchs „Bruderland“ zu starten. Das staunende – und immer wieder in frenetisches Gelächter ausbrechende – Publikum im tapir wurde zurückgebeamt in eine Zeit, in der unbegrenzte Individualreisen für den Durchschnitts-Ossi ebenso wenig vorstellbar waren wie die heutige Perfektion der Ausrüstung. Neben ihren ausgefallenen Abenteuern beschrieben die Jungs auch die langwierigen Vorbereitungen, die Tricks beim Beschaffen der Reisedokumente – und erzählten viele kleine Episoden der Konfrontation mit dem sowjetischen Alltag. „Spätestens als Jan Oelker, einer der Autoren, die damals selbstgebauten Ausrüstungsgegenstände vorstellte, blieb kein Auge trocken“, erinnert sich Steinbach. „Das Material für den Eispickel war aus den Dresdner Flugzeugwerken wegorganisiert, der Rucksack mit Trabi-Sicherheitsgurten verstärkt. Ganz zu schweigen von der modischen Gletscherbrille.“ 

“Transit”-Autor Jan Oelker mit selbstgebastelter Gletscherbrille (c)tapir

Rando Steinbach stieg 1993 als Gesellschafter beim tapir ein. Da zog der Outdoor-Spezialist, der sich 1990 in einer LKW-Garage in Möckern gegründet hatte, gerade in die Rosa-Luxemburg-Straße im Leipziger Osten. Heute führt Steinbach den Laden gemeinsam mit Maren Fuhrmann. „Auf der Fläche“ ist er immer noch gern zugange, am liebsten im Zeltplatz Mitte. So nannten die ‚tapire’ ihre nun in die Innenräume verlegte Zeltwiese, als sie 2009 von der Karl-Liebknecht-Straße an den Georgiring gezogen waren. „Statt 400 Quadratmetern an der Karli hatten wir jetzt zwei Flächen mit je 650 Quadratmetern!“ Inklusive Werkstudenten sind heute rund 35 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter für den tapir tätig. Der Standort im Erdgeschoss der Plattenbauten am Ring, die Anfang der 1960er Jahre errichtet und nun aufwändig ausgebaut wurden, hat sich im Nachhinein als Glücksfall erwiesen. „Wir sind nicht mehr nur ein Outdoor-Laden für den Leipziger Süden, sondern für die ganze Stadt“, freut sich Steinbach. Beide Flächen, in einem freundlichen Mix aus Beton und Holz gehalten, punkten mit ihrer Großzügigkeit; Eltern mit Kinderwagen wissen das zu schätzen. 

Wann genau die Kooperation mit der Buchmesse begann, erinnert Rando Steinbach nicht mehr. Sicher ist jedoch, dass der tapir bereits mit dem Umzug in die Karli regelmäßig zu Vorträgen eingeladen hatte – im Laden war eine Leinwand integriert, so dass Kunden ihre Touren in Wort und Bild vorstellen konnten. Mit den Jahren professionalisierte sich diese Strecke, inzwischen ist sie meilenweit von Opas Dia-Abend entfernt. Professionelle Reise-Journalisten machen gern im tapir Station. Das wiederum hatte Doreen Rothmann vom Buchmesse-Team auf dem Schirm, die bis zur Corona-Pandemie die „Leipzig liest“-Veranstaltungen in der Stadt mit koordinierte – für beide Partner ein idealer Match. „Frau Rothmann hat immer genau genau geschaut, was bei uns passt“, erinnert sich Steinbach. „Wir haben großartige Angebote bekommen. An Acts wie die Hoepner-Brüder wären wir nicht ohne Weiteres herangekommen.“ Ergänzt hat Steinbach die Vorschläge des „Leipzig liest“-Teams mit Angeboten jener Verlage, mit denen tapir schon lange zusammenarbeitet – zu nennen wären hier etwa Conrad Stein oder Reise Knowhow. Begeistert zeigt sich Rando Steinbach auch vom – ebenfalls über die Buchmesse vermittelten – technischen Support. „Die Jungs von Frontsound sind verständnisvoll und flexibel. Und sie haben auch ein Ohr für Sonderwünsche. Das entlastet uns enorm – wir sind ja eigentlich Einzelhändler, keine Veranstaltungsprofis.“ 

tapir-Geschäftsführer Rando Steinbach: “Nicht wenige begeisterte Leser kommen als Kunden wieder!”

Während tapir seine ‚normalen’ Veranstaltungen übers Jahr lediglich im eigenen Newsletter bewirbt, wird für die „Leipzig liest“-Highlights zusätzlich über die Kanäle der Buchmesse getrommelt. „Im Idealfall steigen auch Verlage und Autoren mit ein“, freut sich Steinbach. Und: Nicht wenige begeisterte Leser kommen als Kunden wieder. Reisen erfreut sich nach dem coronabedingten Atemholen – das die tapir-Manschaft dank eines gut funktionierenden Online-Shops und diverser Unterstützungen gut überstanden hat – wieder größter Beliebtheit. Auch Rando Steinbach, den man zur Buchmesse seltener in den Hallen, eher auf einer der abendlichen Lesungen treffen kann, zieht es wieder hinaus. Inzwischen allerdings eher in “absolut reduzierter Variante“, wie er lächelnd versichert: Bei zu viel Gepäck zwackt der Rücken. „Unterm Tarp schlafen, oder mit einem federleichten Moskitonetz unter freiem Himmel – das ist immer noch großartig!“     

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